Highlights: Porto Alegre, Aparados da Serra, Praia da Rosa, Ilha Santa Catarina, Praia da Joaquina, Florianopolis, Ubatuba, Paraty
Auf dem Weg nach Salvador da Bahia, unserem nördlichsten Ziel Brasiliens besuchen wir einige der schönsten Kolonialstätten des Landes. Aber auch die Tierwelt erblicken wir in einer uns bisher unbekannten Weise. Tiere die wir nur aus dem Zoo kennen, begegnen uns hier in freier Natur. Mit der Ankunft in Salvador erfüllen wir uns zwei weitere Träume.
Brasilien wir kommen!
Wir befinden uns nun in Paso del los Libres, der Grenzstadt zum brasilianischen Uruguaiana. In der Stadt nehmen wir am Landy nochmals einen Ölwechsel vor und kaufen auch die speziellen Öle auf Vorrat ein, da dies in Brasilien schwierig zu erhalten sei. Dann sind wir startklar für das neue Land. Wir erreichen nach ein paar Minuten die Grenze. Anders als üblich, Hunderte von Menschen drängeln um auf die andere Flussseite zu kommen. Wir beobachten das Geschehen ganz kurz und haben aber immer noch keine Ahnung, wohin wir genau müssen. Ein so genannter Helfer zeigt uns einen Platz wo wir das Auto abstellen können um die nötigen Formalitäten zu erledigen. Ich bleibe sicherheitshalber im Auto, Roger geht mit den Dokumenten zum Zoll. Er tut mir richtig leid, dieser ganze Papierkram erstmals auf Portugiesisch. Zum Zeitvertreib nehme ich mir die Menschen etwas genauer unter die Lupe. In kleinen Autos, so Fiat Panda ähnlich, sitzen sie zu Acht oder noch mehr, dass die Oma nicht auf das Dach gebunden wird ist gerade verwunderlich. Viele Autos bleiben aufgrund der langen Wartezeit stehen und müssen von anderen Wartenden angeschoben werden.
Nach etwa 50 Minuten kommt Roger mit einem breiten Grinsen zurück. „Tudo bom“, meint er. Es war kein Problem. Der freundliche Helfer von vorhin sei mit ihm mitgekommen, habe ihm die verschiedenen Anlaufstellen gezeigt, natürlich in der Hoffnung auf ein paar Reais. Der brasilianische Zöllner hätte sich alle Mühe gegeben mit ihm Englisch zu sprechen, es war zwar etwa gleich viel wie er portugiesisch spreche, aber er habe es versucht. Super, die erste Hürde wäre geschafft. Weiter geht es zur Autokontrolle. Jedes Auto wird auch hier auf verbotene Sachen durchsucht. Ich packe schon mal die Mandarinen heraus, welche ich extra aufbewahrte um am Zoll abzugeben, mit dem Hintergedanken dass sie sich nicht fürs Auto interessieren. Die Frau fragte uns etwas auf Portugiesisch, wir verstanden nur Bahnhof. Ich legte meine Mandarinen so offensichtlich vorne ins Auto, dass sie es doch sehen musste. Aber die Früchte schienen sie nicht zu interessieren, viel lieber wollte sie einen Blick ins Autoinnere werfen. Sie schien zufrieden, nach einem kurzen Augenblick winkte sie uns zu und wünschte eine gute Reise. Die nicht erlaubten Mandarine führte ich dann legal nach Brasilien ein…
Immer gerade aus nach Porto Alegre
Die Landschaft von Uruguaiana nach Porto Alegre sieht eigentlich gleich aus wie in Uruguay. Viel Weideland, grosse Kuhherden. Die erste Nacht verbrachten wir auf einem so genannten Posto (Tankstelle). Wenn wir an einem solchen Ort übernachten füllen wir eigentlich immer unsere Tanks auf oder gehen dort essen. Dies wollten wir am Morgen nachholen. Ich schaue schnell in meinem Portugiesisch-Dix nach was denn Frühstück heisst und dann gehen wir vollen Mutes ins Restaurant. Alle Blicke sind auf „die Fremdlinge“ gerichtet. Ich stammle meine Sätze hervor aber der Wirt schaut mich nur ungläubig an, er verstehe nicht was ich meine. Mit Mühe und Not konnte ich zwei Cafés bestellen, das Frühstück verschieben wir. Dann kommt die Wirtin vorbei und fragt nochmals ob wir sonst noch etwas möchten. Zweiter Versuch erfolgreich, wir bekommen Käse-Schinken Sandwichs. Ok, das hatte ich eigentlich nicht bestellt ist aber ja egal, Hauptsache etwas zu essen. Diese Reise wird ja heiter werden.
Porto Alegre, Kulturschock in einer Millionenstadt
Wir planten kurz vor Porto Alegre zu übernachten, um dann am nächsten Tag in die Stadt zu fahren. Aber wozu sind Pläne da, natürlich um geändert zu werden. Nach Einbruch der Dunkelheit erreichten wir die Millionenstadt. Wir hatten ehrlich gesagt keine Ahnung wo wir hingehen sollten. Aber eines war klar, wir mussten uns irgendwo ein Hotel suchen. Wir schauen schnell im Reiseführer nach und finden etwas einigermassen Bezahlbares. Auf dem Weg dahin hält uns kurze Zeit später ein Motorradfahrer an. Er erklärte uns auf Spanisch dass er für das Touristen-Sekretariat arbeite und fragt ob er uns helfen könnte. Das ist bestimmt eine Falle, war unser erster Gedanke. Wir fragen nach dem Ausweis, aber ob der echt ist? Nach kurzem Überlegen nahmen wir seine Hilfe jedoch an, was sollte uns ein Motorradfahrer schon Böses anhaben können? Wenn er uns in abgelegene Gebiete bringt, fahren wir einfach davon. So einfach ist es. Wir zeigen im das Hotel wo wir hinwollten. Er verneinte und meint, dass wäre nicht sicher genug. Und vor allem würde es keinen Platz fürs Auto geben. Das war ein Argument. Er führte uns zu verschiedenen Hotels, aber überall war das Parkhaus fürs Auto zu niedrig. Das Letzte sollte erfolgreich werden. Ein Hotel mit eigenem Parkhaus, wo auch unser Mobil hineinpasste. Aber der Preis, er überstieg unser Budget bei weitem. Soviel konnten und wollten wir nicht bezahlen. Unser Helfer konnte den Preis etwas drücken, es war aber für uns immer noch zu teuer. Dann kam der Besitzer, ein gebürtiger Italiener. Ich nutzte die Gunst der Stunde und versuchte mit meinen früheren geringen Italienisch-Kenntnissen noch etwas zu Handeln, wir plauderten über Fussball und dann stimmte der Preis nach einer Weile schlussendlich für uns Beide. Ich bedankte mich bei unserem freundlichen Begleiter und wollte ihm ein paar Reais zustecken, er lehnte aber bestimmend ab. Er sagte lediglich, willkommen in Brasilien und wenn ihr Probleme habt, ruft mich an.
Müde von der langen Fahrt und der ewig dauernden Hotelsuche wollten wir noch kurz in der Stadt etwas essen gehen. Aber irgendwie gefiel uns die Stadt nicht. Es war erst 21 Uhr, aber es schien uns als ob wir die einzigen Weissen unterwegs waren. Überall sassen Bettler, die Hauptstrasse füllte sich mit fliegenden Strassenhändlern. Ich hielt meinen Rucksack so fest in der Angst, dass mich jeden Moment jemand bestehlen könnte.
Hilfe – Hier wird Russisch gesprochen
Immerhin fanden wir doch noch ein kleines Lokal und als wir in die Speisekarte blickten schauten wir uns ungläubig an, was sollen wir hier bloss bestellen? Kein Wort verstanden wir, es ist zum Verzweifeln, was ist das bloss für eine Sprache? Ich nahm wieder einmal unser Büchlein hervor aber die Wahl zwischen Meeresfrüchten und blutenden Hühnchen liess uns nicht gerade aufheitern. Das Einzige was wir mittlerweile kennen ist das berühmte Käse-Schinken Sandwich. Seid den letzten Tagen haben wir nichts anderes mehr gegessen als diese Brote, wir können sie nicht mehr anschauen. Ich erinnere mich an den Traum meiner Mutter, welchen sie kurz vor unserer Abreise hatte. Wir wären in Brasilien am Verhungern und sie müsste uns retten kommen. Na ja, so schlimm wird’s hoffentlich nicht werden…
Eines steht fest, mit so geringen Portugiesisch-Kenntnissen macht man sich das Leben selber schwer. Am nächsten Tag suchen wir eine Bücherei auf um uns ein Wörterbuch speziell für Brasilien zu besorgen. Sie ist jedoch verbarrikadiert und scheint gar nicht mehr zu existieren. Ein Passant erklärt uns dass man hier klingeln muss und sie dann einem hereinlassen, Sicherheitsmassnahmen. Tatsächlich werden wir in dem kleinen Laden fündig. Gleich fühlen wir uns mit dieser neu erstandenen Bibel etwas sicherer und fordern unser Glück heraus. Bei einem Fussgänger fragen wir nach einem Internet-Café. Er erklärt uns den Weg, die Richtungsangaben tönen ähnlich wie im Spanischen. Wir gelangen genau an die Strasse wo er uns vorher schilderte aber anstatt einem Internet-Café finden wir einen Friseursalon vor. „Merda“ sagt man hier, dumm gelaufen.
Brasiliens Hinterland
Unser nächstes Ziel war der Nationalpark „Aparados da Serra“, welcher bekannt für seine Araukatienwälder und einer 700m tiefen Schlucht ist. Auf dem Weg dahin durchfuhren wir viele deutsche Kolonien wie „Novo Hamburgo, Gramado oder auch Canela“. An einer Tankstelle sprach uns die Tankwartin sogar auf Deutsch an, für uns natürlich eine sehr willkommene Abwechslung. Die Fahrt durchs Hinterland ist unbeschreiblich. Der Führer hatte nicht zuviel versprochen. Alles wirkt so gepflegt, sauber. Viele Geschäfte tragen immer noch deutsche Namen. Wir entdecken sogar ein Restaurant namens „St. Gallen“.
Gegen Abend erreichen wir die Abzweigung zum Nationalpark. Über eine ziemlich ruppige Schotterstrasse fahren wir 20km ins Landesinnere. Eine grosse Tafel informiert uns dass der Park nur von Mittwoch bis Sonntag geöffnet hat. Heute haben wir Dienstag, das passt. Vielleicht können wir ja am Parkeingang übernachten. Nach einer Stunde erreichen wir den Park. Barriere unten, erneut steht eine grosse Tafel, diesmal mit „Campieren verboten“. Im selben Moment kommt ein Parkwächter heraus, ahh, wir sind nicht alleine hier. Wir geben uns Mühe und fragen den Wächter auf Portugiesisch ob wir vielleicht ausnahmsweise auf dem Parkplatz übernachten dürfen. Nein nein, da draussen wäre es nicht sicher. Er öffnet die Schranke und meint: Ihr dürft hinter dem Parkhäuschen schlafen. Hier könnt ihr die Toiletten benützen, er schaltet extra das Licht für uns ein. Kurze Zeit später lädt er uns in sein kleines Haus ein, kocht Kaffee und offeriert uns komische Früchte welche wir vorher noch nie gesehen haben. Er erklärt uns, dass diese Früchte von den Araukatien-Bäume stammen, welche vorwiegend im Süden Brasiliens und vor allem in diesem NP vorkommen. Oh, die schmecken hervorragend, ähnlich wie die Kastanien bei uns zu Hause. Kurz vor dem Schlafengehen sehen wir unzählige Füchse, welche den Landy in Besitz genommen haben. Aber nur ein paar Schritte näher, sind sie schon wieder weg und verschwinden in der Dunkelheit.
Tags darauf regnet es wieder ohne Unterbruch. Wir entschliessen uns zur Weiterfahrt, da man den Park so oder so nicht anschauen konnte und wir wollten auch nicht die Gastfreundschaft der Parkwächter ausnützen. Aber alleine schon das Erlebnis am Vorabend machte die Fahrt in den Park für uns lohnenswert.
Anti Weight-Watching anstatt Whale-Watching
„Praia da Rosa“, steht in unserem Reiseführer ganz dick angestrichen. In diese Bucht kommen von Juni bis September Wale um ihre Jungen auszubrüten. Man soll sie direkt vom Strand aus sehen können. Schon seit Tagen freuen wir uns darauf und können es kaum erwarten, bis wir endlich die Bucht erreichen. Der Feldstecher steht auch schon griffbereit. Über eine Sandstrasse gelangen wir zur „Praia da Rosa“. Aber nein! nicht ein Wal war zu sehen. Da es schon den ganzen Tag regnet rede ich mir ein, das ist bestimmt das schlechte Wetter. Aber auch am anderen Tag, bei strahlendem Sonnenschein, sehen wir nicht einen einzigen Wal. Die Enttäuschung ist riesig, wie gerne hätten wir diese Tiere gesehen. Wir fahren zum Institut der „Baleia Franca“ und fragen nach, wenn denn die Wale in der Regel kommen. Ja immer zur gleichen Zeit, so Anfang August. Man sah sie auch schon Mitte Juli, aber dann erst weiter südlich. Ich teilte ihr mit dass wir gekommen sind, weil es so in den Reiseführern steht und vielfach auch im Internet. Sie lächelte und meinte, sie wisse dass es dort stehe, aber es wäre falsch. Wir wären nicht die ersten Touristen. Ich verklemme mir eine Bemerkung.
In Garopaba suchen wir einen Platz um ein paar Tage auszuspannen und vor allem auch, um Rogers Geburtstag zu feiern. Wir finden einen schönen Camping, 50m vom Meer entfernt und doch sehr zentrumsnah. Hier gefällt’s uns, zudem haben wir auch noch einen eigenen Fernseher, gibt es etwas Passenderes zur WM-Zeit? Ah es ist herrlich, seit Monaten haben wir endlich mal wieder warm, müssen nicht ständig mit Pullover und Jacke herumlaufen. Das perfekte Plätzchen für Rogers Geburtstag. Natürlich feiern wir gleich traditionell wie zu Hause. Grosses Frühstücks-Buffet, eine Schokoladen-Torte und als Geschenk eine Landrover-Lederabdeckung fürs Reserve-Rad (oder ist es doch eher was für Gaucho?). Als Höhepunkt schauen wir uns das Spiel Schweiz – Ukraine an; autsch das tat weh. Aus Frust über die Niederlage gehen wir in eine Strandkneipe, trinken ein paar Caipirinhas. Einige fragen uns woher wir kommen, Suiça, antworten wir. Oh, futebol, merda. Das kann man so sagen. Wir lassen es uns in Garopaba richtig gut gehen. Da es ja keine Whale-Watching Tour gab beschlossen wir Anti Weight-Watching zu betreiben. Neben dem Camping steht „leider“ eine super Bäckerei, also gab es jeden Morgen Süssigkeiten ohne Ende. Irgendwie muss man es ja verdauen…
Florianópolis und die Ilha Santa Catarina
Nur etwa 65 Kilometer weiter nördlich befindet sich die bekannte “Ilha (Insel) Santa Catarina” mit Hauptstadt Florianópolis. Über eine Brücke gelangt man vom Festland aus zur Insel. Die Wegweiser zum Touristenbüro sind besser gekennzeichnet als zum Teil größere Ortschaften. Also man konnte es nicht verfehlen. Ich überlege mir schnell wieder ein paar Sachen wo ich wissen möchte und gehe hinein. Aber als erstes frage ich den Herrn ob er vielleicht Spanisch oder Englisch sprechen würde. Er verneinte, fragt mich im Gegenzug aber ob ich Deutsch spreche. Heute ist mein Glückstag. Mit Kartenmaterial und Prospekten vollbepackt machen wir uns anschliessend auf den Weg zur Insel.
Vorher suchen wir aber noch schnell einen Supermarkt auf, da Roger schon seit langem Farbe für einen Unterboden-Anstrich kaufen möchte. Trotz dem bewachten Parkplatz beschließe ich im Auto zu warten. Ständig schleichen irgendwelche Leute herum. Ich blättere die vielen Prospekte durch und bemerke erst später das Menschenaufgebot neben uns. Rasch steige ich aus und schaue nach was denn los ist und siehe da, das Auto neben uns wurde aufgebrochen und komplett ausgeräumt.
Einerseits etwas geschockt und dennoch froh über unser Glück fahren wir zur „Lagoa (Lagune) da Conceição“. Ein traumhafter Platz. Auf der einen Seite das dunkelblaue Wasser der Lagune, auf der anderen Seite befindet sich das Meer. Von hier aus möchten wir die Insel erkunden. Wir packen uns einen Rucksack und brechen zu einem Fussmarsch Richtung „Praia da Joaquina“ auf. An diesem Strand finden jährlich die brasilianischen Surfmeisterschaften statt. Surfer nutzen die meterhohen Wellen um sich auf den Wettkampf vorzubereiten. Wir könnten stundenlang an diesem Ort verweilen und einfach nur zuschauen. Noch am selben Abend findet dann das Spiel Brasilien – Frankreich statt. Der ganze Ort ist im Fussballfieber, überall hängen Brasilien-Fahnen, die Raketen lassen sie schon laufen bevor das Spiel beginnt. Überall stehen die Grille fürs grosse Barbecue bereit um den kommenden Sieg gebührend zu feiern. Brasilien verliert, eine Welt bricht für die Leute zusammen. Dieser Abend wird ganz ruhig, keine laute Musik, keine fröhlichen Stimmen. Das muss es verdaut werden.
Irrfahrt in die Favelas, Brasiliens Armensiedlungen
Bevor wir die Insel verlassen möchten wir noch zum Aussichtspunkt hinauffahren, von wo man einen herrlichen Blick über Florianópolis erhaschen kann. Aber das ist nicht so einfach wie wir angenommen haben. Nirgends finden wir die Ausfahrt, wenn wir mal mit Mühe auf die andere Strassenseite gelangen folgt bestimmt eine Einbahnstrasse und wir kommen einfach nicht den Hügel hoch. Wir sind etwas genervt weil wir schon seit einer Ewigkeit herumkurven und beschliessen, einfach eine Strasse zu nehmen welche bergaufwärts führt. Nach ein paar Minuten wird die Strasse immer enger, Leute stehen in die Mitte und winken uns von der Strasse weg. Nein, wir wissen es besser. Gemäss unserem Plan muss diese Strasse weiter hinaufführen. Ich drehe mich nochmals um und sehe wie die Leute den Kopf schütteln. Ein paar Meter weiter endet der Asphalt und die Strasse bzw. Weg besteht nur noch aus festgeklopftem Sand. Und dann sehe ich wovor sie uns wahrscheinlich warnen wollten, wir befinden uns mitten in den Favelas. Die Häuser bestehen nur noch aus Bretterbuden, keine Fenster, nur noch Armut bietet sich uns. Dann steigt die Strasse so steil an, dass wir nicht mehr hinaufkommen, wir rutschen ab und schlittern wieder ein Stück zurück. An ein Umkehren ist nicht mehr zu denken, der Weg ist so eng dass wir beide nicht mal aussteigen könnten. Wir bleiben nicht unbemerkt, die vorwiegend dunkelhäutigen Bewohner kommen aus ihren Hütten und laufen uns entgegen. In mir breitet sich Panik aus: „Roger tu doch was!“ Die nächsten Schritte verlaufen blitzschnell, er schaltet die Untersetzung und die Differenzialsperre von unserem Landy ein und tritt aufs Gas. Es funktioniert, wir kommen weiter. Dann folgt gleich eine so enge Kurve, dass wir diese nicht unter einem Mal nehmen können. Hin und zurück, das Ganze etwa dreimal. Ich fühle mich wie in einen Horrorfilm versetzt. Der Weg führt nochmals ein paar Meter hinauf bis wir dann endlich eine andere Strasse entdecken. Wir steigen beide mit etwas wackligen Beinen aus dem Auto und bedanken uns bei unserem treuen Gefährten, dass er uns aus diesem Schlamassel sicher herausbrachte. Nach diesen Strapazen geniessen wir den erkämpften Ausblick umso mehr und finden bei der Rückfahrt doch prompt den etwas „offizielleren“ Weg hinunter.
Peinlich, peinlich!
Wir fahren weiter Richtung Curítiba, von wo wir einen Abstecher nach Paranaguá unternehmen. Diese nur etwa 60km sollen landschaftlich sehr schön sein. Schon nach den ersten Kilometern folgt eine Zahlstelle, CHF 7.00. Uns verschlägt es fast die Sprache. Gleicher Preis für Autos und Lastwagen. Wenn man diese Strecke vom Preis abhängig machen würde müsste es ja glatt eine Luxus-Fahrt werden. Das wurde es durchwegs, 30km Stau, die Sonne brennt erbarmungslos herunter. Die Brasilianer sehen es gelassen. Sie nehmen ihre Campingstühle und Tische hervor, drehen das Radio auf und warten. Endlich geht es nach 2 Stunden weiter und wir sehen die Übeltäter, welche den Stau verursachten. Es war eine Baustelle mit etwa 10 Personen, sieben davon „regelten“ den Verkehr, zwei schauten ihren Kollegen dabei zu und der letzte war ihr Chef und tat sowieso nichts…
Paranaguá ist eine Hafenstadt und hat ausser der schönen Promenade nicht viel zu bieten. Für uns Grund genug gleich wieder weiterzufahren. Unser nächstes Ziel soll Morretes sein. Ein kleines, herziges Dorf. Wir suchen als erstes das Tourismusbüro auf, welches aber heute geschlossen hat. Ohne Plan fahren wir durchs Dorf und sehen dann einen Umzug. Viele Autos mit Blumen geschmückt, unzählige Menschen folgen der Karawane. „Das ist bestimmt ein Blumenfest oder so was. „Komm lass uns hinterherfahren und schauen was es genau ist.“ Wir verlassen die Hauptstrasse und gehen etwas ausserhalb. Dann kommt eine Tafel mit „Sackgasse“. Aha, weit wird’s nicht mehr sein. Dann folgt ein schöner Park und auch gleich sehen wir um was für ein Fest es sich hier handelt. PEINLICH, wir sind einer Beerdigungsgesellschaft gefolgt. Die Strasse endet auch mit einem kleinen Parkplatz, der schon offnungslos überfüllt schien. Eine enorme Anzahl von Menschen nehmen an der Beerdigung teil, anscheinend muss es eine wichtige Persönlichkeit gewesen sein. Das Schlimmste kommt erst noch, weil die vielen Autos den Weg versperrten, musste uns die Beerdigungsgesellschaft wieder herauslotsen. Wir hätten vor Scham im Boden versinken können und wünschten, dass wir für kurze Zeit unsichtbar geworden wären. Einen Moment lang schien dann auch die Beerdigung Nebensache zu werden, spannender ist es doch den Touristen zuzuschauen, wie sie wieder herauskommen. In diesem Dorf können wir auf keinen Fall mehr bleiben und verlassen es wie wir gekommen sind – Nichtswieweg.
Erholung im Paradies - Ubatuba
In den letzten Tagen haben wir viele Kilometer (über 2000km) zurückgelegt und die Suche nach einem Schlafplatz stellte auch täglich eine neue Herausforderung dar. Mittlerweile waren wir ziemlich müde und wollten mal an einem Ort etwas länger bleiben, was sich als schwierig herausstellte. Brasilien ist so dicht besiedelt, zumindest in der Gegend wo wir uns aufhielten und „wild“ campieren wie in Argentinien oder Uruguay ist nicht so einfach, außer man kämpft sich mit der Machete einen Platz im Regenwald frei. Ubatuba bzw. „Praia de Maranduba“ sollte für uns der gewünschte Traumplatz werden. Ein Campingplatz der Luxusklasse, direkt am Meer gelegen, mit einem kleinen Dorf in der Nähe. So konnten wir auch über den stolzen Preis von CHF 31.00 hinwegsehen. Endlich wieder einmal ein Ort wo wir unsere Hängematte aufspannen konnten und unsere Seele baumeln liessen. Dieser Platz eignete sich ebenfalls wunderbar für unser Vorhaben, den Unterboden-Anstrich am Landy.
Unser Brasilien-Bild ändert sich grundlegend
Zugegeben, anfangs taten wir es uns etwas schwer in Brasilien, vor allem auch wegen der neuen Sprache, wir fanden keinen Zugang zur Bevölkerung. Aber hier in Ubatuba haben wir den Rank gefunden. Wie schon erwähnt wollten wir auf dem Platz den Unterboden-Anstrich machen. Roger war gerade dabei in den Badehosen den Landy abzuwaschen. Dies weckte das Interesse der anderen Camper. Kurze Zeit später kommt ein Brasilianer vorbei und bietet Roger seine Hilfe beim Waschen an. Roger bedankte sich und sagte: nicht nötig, er wäre sowieso gleich fertig. Der Brasilianer, sein Name ist Ademir, meint umso besser. Ich mache ein Barbecue und ihr seid meine Gäste, in einer halben Stunde ist es ok für euch? Wir waren so überrumpelt dass wir gar nicht wussten was antworten, aber das war für ihn wie ein Ja. So gehen wir und schauen was wird. Der Grill lief bereits auf Hochtouren, wie viele Menschen dort waren weiss ich gar nicht mehr. Auf jeden Fall wurden wir behandelt als ob wir alte Bekannte von ihnen gewesen wären. Einer nach dem anderen kam und wollte uns kennen lernen. Am späteren Abend kommt Ademir und sagt: er müsste jetzt gehen, er fahre wieder zurück nach Sáo Paulo. Hier ist mein Wohnwagen, fühlt euch wie zu Hause, dort steht die Kühlbox, bedient euch. Zwei Stunden später kommt Daisy vorbei, ich habe Kuchen gebacken, kommt schnell zu mir rüber. Mittlerweile ist es Mitternacht, wir sitzen etwa mit 20 Brasilianern in einem Zelt, haben eine riesige Party.
In den nächsten Tagen schmerzen wieder einmal Rogers Weisheitszähne, so dass nicht einmal mehr unsere stärksten Schmerztabletten helfen. Es sieht aus als ob wir einen Zahnarzt aufsuchen müssen. Aber wir haben Glück, auf dem Camping befindet sich ein Zahnarzt. Mit einer Taschenlampe, so gross wie ein Scheinwerfer, begutachtet er Rogers Zähne, Hinter ihm starren etwa 10 weitere Augenpaare in Rogers Mund. Leider hatte er nichts dabei was er Roger geben könnte, aber er spricht ihm aufmunternde Worte zu. Daisy, etwa 60 Jahre alt, weiss Rat. Abends um 22.00 Uhr läuft sie, ohne uns was zu sagen, alleine 4km ins nächste Dorf, sucht einen Zahnarzt auf und besorgt für Roger Tabletten. Wir sind einfach nur sprachlos und wissen uns gar nicht wie bedanken. Aber da sind noch so viele andere Menschen mit denen wir ein paar tolle Stunden verbrachten. Wie Gabriel, ein 14 Jähriger Junge. Eines Abends, wir liegen bereits im Dachzelt, kommt er vorbei und ruft. Roger, Anita, meine Eltern haben für euch Pizza gemacht, ihr mögt dies doch so gerne. Dann kommt der Tag der Abreise, aus geplanten drei Tagen wurden Acht daraus. Nach 5 Stunden Verabschiedung sind wir startklar. Gabriel kommt noch mit einem BRASIL T-Shirt vorbei, damit ihr uns nicht vergesst.
Paraty, Segeltörn und Geschichte
Paraty befindet sich kurz vor Rio de Janeiro und ist für uns vorerst letzter Stopp an der Küste. Ein geschichtsträchtiges Dorf mit einem grandiosen „Centro histórico“. Viele koloniale Bauten, kopfsteinbesetzte Strassen und Kirchen aus dem 18. Jahrhundert. Eine weitere Attraktion des Ortes sind Segelboot-Touren zu den nahe gelegen Inseln und deren endlosen Stränden. Für uns einmal mehr eine gelungene Abwechslung um aufs Wasser zu gelangen. Im Reiseführer steht dazu: Wenn es irgendwo ein Paradies auf Erden gibt, dann wäre es nicht unweit von hier. Genauso empfinden wir es auch.
Wir sind jetzt auf dem Weg ins Landesinnere, in die Provinz „Minas Gerais“. Dort, wo noch Gold wie vor 400 Jahren gewaschen wird und einige der schönsten kolonialen Stätten Brasiliens vorzufinden sind.