nichtswieweg... vier Abenteurer unterwegs

Off-the-beaten-track von Paraguay nach Bolivien
Reisebericht vom 24.05.2006, Paraguay und Bolivien
Highlights: Mariscal, Trans-Chaco, Camiri, Sucre, Salar de Uyuni, Land Rover G4 Challenge, La Paz

Martin schreibt:

Der Grenzübergang nach Bolivien bleibt nach wie vor geschlossen und wir entscheiden uns, über Paraguay nach Bolivien einzureisen. Es ist zwar ein grosser Umweg, aber wir möchten keine Zeit verlieren, da uns in zwei Monaten die Familie von Andrea an der brasilianischen Küste besuchen wird. Bis dahin fehlen noch 8000 Kilometer und ein grosser Teil der Strecken sind in schlechtem Zustand.

Die Zollabfertigung in Paraguay geht zügig voran und wir dringen in zwei Tagen bis nach Mariscal im nördlichen Paraguay vor. Dort treffen wir auf unsere befreundeten Zollbeamten und verabschieden uns von ihnen. Beim Mittagessen lernen wir einen ausgewanderten Schweizer kennen und besuchen anschliessend sein Haus im Ort.

Am Abend geht’s weiter Richtung Norden und diesmal entscheiden wir uns für die Trans-Chaco Route und nicht für die Picada 500 in der Hoffnung, schnell voran zu kommen. Als wir am nächsten Tag beim Infanterie Posten kurz vor der bolivianischen Grenze ankommen, erfahren wir, dass im Monat höchstens drei Leute hier vorbeikommen und dass wir seit Jahren die ersten Touristen seien, die hier die Grenze passieren. Das haben wir uns ein wenig anders vorgestellt, denn nach unseren Karten soll die Trans-Chaco Linie die Hauptverkehrsverbindung nach Bolivien sein. Weit gefehlt und der Weg entpuppt sich immer mehr als tief-sandige Piste, übersät von dunklen Wasserlöchern. Wir kommen nur langsam voran, viele Stellen können nur im Schritttempo überwältigt werden.

Zwei Tage darauf befinden wir uns endlich auf bolivianischer Seite. Von Migration und Zollbüro weit und breit keine Spur. Wir treffen nur auf einen ausgeleierten Militärposten, der uns aber gründlich durchsucht. «Wenn ihr weiter wollt, müsst ihr Geld und Lebensmittel abgeben», sagt uns der Commandante unverfroren ins Gesicht. Leider haben wir keine Alternative, also her mit den Scheinen und Kartoffeln. «Wir sind wieder in Bolivien», denken wir, «hier draussen im Nirgendwo gibt es eigene Gesetze». Nach unseren Spenden empfiehlt unser «Freund» die Strasse hinter der Kaserne zu nehmen. Wir verzichten dankend darauf, denn die Strasse sieht eher aus wie ein Gemüsegarten und wir spielen mit dem Gedanken, dass sie uns in einen Hinterhalt locken möchten.

Also fahren wir wieder zurück und nehmen eine Abzweigung, die wir zuvor passiert haben. Kurze Zeit später kommen wir auch auf dieser Strecke zu einem Militärposten. Hier geht alles ein wenig ordentlicher zu und her aber auch dieser Commandante, hat es faustdick hinter den Ohren. «Die Strecke darf von Touristen nicht befahren werden», sagt er und wir wissen sofort, dass der Typ nur Wegezoll will und fangen an zu diskutieren. Geschlagene zwei Stunden dauern die Verhandlungen und wir müssen uns mit allen Mitteln wehren. Nach Abgabe von Unmengen an Kopien unserer Pässe, Identitätskarten, Fahrzeug- und Impfausweise gehen ihm langsam die Ideen aus. Das Fahrzeug wird wieder bis auf das Chassis komplett durchsucht und irgendwann wird’s ihm doch zu blöde und er lässt uns passieren.

Uns ist es hier einfach nur unwohl, denn im Umkreis von 300 Kilometern gibt’s einfach niemanden an den man sich wenden könnte. Wir sind voll und ganz auf uns alleine gestellt. Zwei Tage später erreichen wir dann endlich Zivilisation und machen uns gleich auf, das Zollbüro zu suchen. Nichts ist schlimmer, als in einem Land wie Bolivien ohne ordentliche Papiere herumzureisen. Bei der örtlichen Polizei erfahren wir, dass es hier keinen Zoll und keine Migration gibt, die sei 300 Kilometer weiter südlich. Mit ein wenig Diplomatie und netten Worten stellt uns der Polizist ein Erlaubnisschreiben aus, das uns berechtigt, bis zur bolivianischen Hauptstadt Sucre weiterzureisen, damit wir die Papiere dort ausstellen lassen können. Uns fällt wieder einmal ein Stein vom Herzen, denn der Umweg nach Süden würde wieder drei zusätzliche Tage und etliche Diskussionen bedeuten.

Mit einem maschinengeschriebenen Papier der Polizei Boyuibe in der Tasche fahren wir los in Richtung Sucre. In Bolivien gibt es sehr viele Kontrollen und alle 50 bis 100 Kilometer gerät man an eine Polizei Tranca. Wie viele Stunden wir mit Diskutieren und Verhandeln verbracht haben, bis wir nach drei Tagen in Sucre angekommen sind, möchten wir gar nicht wissen. Es waren viele...

Andrea schreibt:

Doch irgendwie schaffen wir es doch noch in die prächtige Hauptstadt zu kommen. Hier zeigt sich Bolivien wirklich von seiner allerbesten Seite. Die Stadt hat einen seltenen Charme und was uns noch mehr gefällt, ist natürlich das Migrationsbüro, das uns ohne Murren die Pässe stempelt. Auf dem Zollbüro geht’s dann ein wenig komplizierter von Statten, doch nach zwei Tagen sind wir dann auch endlich in Besitz des begehrten Zollpapiers. In der Zwischenzeit treffen wir Mario und Steffi (www.sindfort.com), zwei  Landy- und Reisefreunde, die wir schon lange nicht mehr gesehen haben, und verbringen eine schöne Zeit mit den Beiden in der weissen Stadt.

Jetzt wo endlich alles wieder nach den Regeln läuft, machen wir uns auf, einen der schönsten Flecken Boliviens zu besuchen: Den Salar von Uyuni. Der Weg nach Uyuni führt durch karge Altiplanolandschaft. Wir müssen uns in den nächsten Tagen erst mal wieder an die ungewohnte Kälte gewöhnen, denn jetzt sinkt das Thermometer bei Nacht schnell unter den Nullpunkt und wir denken sehnsüchtig an die angenehmen Temperaturen in Paraguay und Brasilien zurück. Doch bald merken wir, dass sich das Frieren bis hierher auf jeden Fall gelohnt hat. Vor uns liegt die grösste Salzpfanne der Erde, ein weisses Meer aus Salz und Lithium. Wir können es kaum erwarten und machen uns sofort auf den Weg, den Salar zu erkunden. Anfangs noch etwas unsicher, befahren wir die weisse Kruste und merken, dass das hier ein richtiger Spielplatz für unseren Pajarito ist. Wieder einmal können wir voll auf die Tube drücken, doch leider reicht es nicht ganz bis zur Lichtgeschwindigkeit. Wir kurven wie wild über die Schneisen und steuern die Isla Pescado an, eine kleine Felserhebung inmitten der Salzpfanne, wo wir dann auch unser Nachtlager aufschlagen. Hier verbringen wir die mit Abstand kälteste Nacht unseres Lebens und sind fast überrascht, als uns am nächsten Morgen nichts abgefroren ist.

Es ist atemberaubend schön hier und wir wärmen uns beim Frühstück in der Sonne auf. Hier auf dem Salar gibt es kein störendes Geräusch, nur absolute Stille, die fast aufdringlich wirkt,  ein ungewohntes Gefühl. Doch eine zweite eisige Nacht wollen wir uns nicht zumuten und machen uns auf den Rückweg. Am Ausgang des Salars sehen wir von weitem einen langen Konvoi auf uns zudonnern. Wir trauen unseren Augen nicht. Die G4 Challenge Crew ist im Anmarsch. G4 ist das Land-Rover-Nachfolgeprojekt der alten Camel Trophy, dem Traum eines jeden Landyfahrers und gerade unterwegs durch Bolivien. Wir freuen uns wie wild und begrüssen die Wettstreiter mit Gejubel. Sie freuen sich ebenso, zwei Landyfreunde wie uns zu treffen, und so lernen wir die ganze Truppe kennen. Wir werden abgelichtet und interviewt und schiessen selbst so viele Fotos, als wären wir von der Presse geschickt worden. Nach diesen tollen Bekanntschaften verlassen wir den Salar und statten einer Autowäscherei einen Besuch ab. Die zentimeterdicke Salzschicht auf Pajaritos Fahrgestell schreit förmlich nach Korrosion und  es dauert eine ganze Stunde, bis wir unseren Landy wieder fahrbereit und rostsicher haben.

Nach diesem Reisehighlight möchten wir uns langsam von Bolivien verabschieden und fahren nach La Paz, in die grösste Stadt Boliviens. Die Fahrt nach La Paz gestaltet sich als ziemlich eintönig, wir wundern uns, was die Menschen in dieser lebensfeindlichen Region hält. Hier wächst nicht mal Unkraut, so staubtrocken ist die Luft, so ausgelaugt der Boden, so eisig die Kälte. Uns scheint, die Menschen vegetieren hier nur vor sich hin, wir fragen uns, wie sie die kalten Winternächte überstehen, ohne Strom oder Brennholz. Die Armut in diesem Land ist ungeheuerlich, die Leute leben von ein paar Kartoffeln und ihren Lamas. Schon bei unserem ersten Besuch Boliviens ist uns die Hoffnungslosigkeit vieler Menschen aufgefallen, doch hier, in der absoluten Einöde der Anden erreicht der Lebensstandard seinen Tiefpunkt.

La Paz ist eine unglaubliche Stadt. Wie ein Geschwür wuchert die Population vom Talkessel über die Hügel. Niemand weiss, wie viele Menschen hier wirklich leben. Unten, auf knapp 3100 Metern über Meeresniveau, wo die Luft noch nicht allzu dünn und schmutzig ist, leben die Gutbetuchten, hier spielt sich das offizielle bolivianische Leben ab. An den Hügeln haben sich die Armen ein zu Hause geschaffen. Wir verbringen ein paar Tage in La Paz und sind beeindruckt, wie hier das moderne Zeitalter mit der indigenen Kultur verschmilzt. An den Strassenecken hocken die alten Marktfrauen in ihren kunstvollen Kostümen und auffälligen Hüten, daneben eilen Geschäftsleute in ihren Anzügen durch die Gassen. Doch irgendwie wirkt es auf uns befremdlich, als die eine Indígena-Frau ihr blinkendes Handy auspackt und beginnt zu telefonieren...

Jetzt sind wir bereit, ein neues Land zu entdecken. Bolivien hat in uns viele Fragen aufgeworfen, wir sind froh, dieses Land besucht zu haben und freuen uns jetzt auf eine weitere spannende Zeit: Peru