Highlights: Chengdu, Leshan, Xi'an, Terrakotta Armee, Pingyao, Beijing, Grosse Mauer
Andrea schreibt:
Entspannt und ausgeruht verlassen wir Chinas Süden und damit Yangshuo. Aber leider geht es nicht so schnell voran, denn der Bus hat eine Panne und wir müssen eine Alternativroute einschlagen. Die ersten 20 Stunden (anstatt der versprochenen 16) rattern wir in einem Sleeper Bus durchs chinesische Hinterland. Wobei der Name Sleeper Bus nicht wirklich zutreffend ist, denn anstatt zu schlafen werden wir im Samba Rhythmus hin und her geshaked und kommen schäumend am nächsten Morgen an einer Raststätte an.
Hoffnungsvoll rennen wir zur Toilette und erleben einen weiteren China Kulturschock. An Stehklos haben wir uns ja mittlerweile gewöhnt, doch was sich hier dem Auge präsentiert, übertrifft wirklich all unsere Toilettenerfahrungen. In Reih und Glied, ohne Tür und Wand, kauert man in der Geschäftsstellung über einem stinkenden Rinnsal und geniesst den Ausblick auf Nachbars Hinterteil. Vom stillen örtchen keine Spur.
Stunden später kommen wir in Chongqing an, einem idyllischen kleinen 15 Millionen Einwohner Nest mit genau zwei Englisch sprechenden Menschen – nämlich uns. Das Beste ist, dass es in dieser Stadt etwa fünf Bahnhöfe gibt und es nun an uns liegt, den Richtigen zu finden. Wir kratzen die wenigen chinesischen Zeichen zusammen, die unser Phrasebook hergibt und finden nach geraumer Zeit den richtigen Busbahnhof und sogar zwei Tickets. Ziemlich übermüdet treffen wir dann mitten in der Nacht, nach 30 Stunden Fahrt an unserem Ziel, Chengdu ein.
In Chengdu quartieren wir uns gleich für ein paar Tage ein und entdecken die schöne Stadt und seine Umgebung. Wir befinden uns in der Provinz Sichuan, sogar ein Begriff für uns Schweizer. Denn von hier kommt das scharfe und leckere Sichuangericht, das in den Chinarestaurants Europas so beliebt ist. Doch dem Wort – scharf - wird hier in Chengdu eine ganz andere Bedeutung verliehen, denn wer ohne Nasenbluten aus einem hiesigen Restaurant schreitet, hat eine ziemliche Toleranz, was scharfe Gerichte betrifft!
In unserem Hostel lernen wir zwei Amerikaner kennen und tun uns spontan zu einem Ausflug zusammen. Gemeinsam mit Jeff und Jessica besuchen wir den grossen Buddha in Leshan, die grösste Buddhastatue der Welt.
Wieder zurück in Chengdu, lassen wir die Zeit an uns vorbei ziehen und setzen uns in eines der vielen gemütlichen Teehäuser. Dafür, dass diese Stadt mehr als zehn Millionen Menschen ein zu Hause gibt, geht es seltsam entspannt zuher. Vielleicht liegt es auch an den vielen Massagesalons, die hier um Kundschaft werben. Auch ich möchte die Kraft der chinesischen Heilkunde erfahren und melde mich für eine Fussmassage an, die sich dann aber eher als Ganzkörpermassage entpuppt...
Eines der Highlights für Chinareisende ist die Panda-Aufzuchtstation vor den Toren der Stadt. Wir möchten die putzigen Bären natürlich auch kennen lernen und verbringen einen spannenden Tag auf der Panda Breeding Research Station. Diese stark vom Aussterben bedrohten Tiere werden auf der Station unter perfekten Bedingungen gehalten. Die Fortpflanzungsrate bleibt aber dennoch weit unter dem zu erwartenden Wert und es ist noch ein langer Weg, bis eines dieser Tiere endlich ausgewildert werden kann.
Nach einigen schönen Tagen in und um Chengdu kaufen wir uns ein Zugticket und fahren mit dem Nachtzug nach Xi’an.
Martin schreibt:
Wir kommen in Shaanxi's Provinzhauptstadt Xi'an an. Nach 14 Stunden Fahrt befinden wir uns 500 Kilometer weiter nördlich und das macht sich bemerkbar: Es ist kühl. Hier ist Endstation uns zugleich auch unser neues zu Hause für die nächsten paar Tage. Wir schreiten durch die Ausgangskontrolle des Bahnhofs und das erste was uns ins Auge sticht, ist die sieben Meter hohe Stadtmauer aus der Ming Dynastie, die Xi’ans Innenstadt umgibt. Das Mauerwerk und die Wachtürme sind so gut erhalten, dass es so aussieht, als würde dieser über 500 Jahre alte Verteidigungswall auch noch heute genutzt.
In Bob's Guesthouse finden wir eine Bleibe für die weiteren Tage. In Xi'an besuchen wir den Glockenturm, der inmitten einer Verkehrskreuzung steht und zugleich das Zentrum der Innenstadt markiert. Am Abend tauchen wir in die Marktwelt des muslimischen Viertels ein. Die Strasse ist mit kleinen Lichtern erhellt und überall wird gegart, gebraten, gesotten und gebacken. Neue Gerüche steigen uns in die Nase. Der Islam ist in China nur wenig verbreitet, die Anzahl Muslime im Verhältnis zur Einwohnerzahl ist verschwindend klein. Und dennoch gibt es in den Städten Islamische Viertel, für uns eine willkommene Abwechslung.
Xi'an, mit nur fünf Millionen Einwohnern, eher eine kleine Stadt, wird als De Fakto Haupstadt von Chinas Westen betrachtet. In der chinesischen Geschichte war Xi'an über mehrere Dynastien die Hauptstadt des damaligen Kaiserreichs. Nebst den Sehenswürdigkeiten, die Xi'an zu bieten hat, gibt es auch noch einen anderen Grund, warum jährlich tausende Touristen hier her pilgern. Etwas ausserhalb der Stadt wurde vor wenigen Jahren in vier Metern Tiefe eine Armee aus Terrakotta Kriegern entdeckt. Insgesamt 8'000 bewaffnete Krieger, darunter auch Pferde, wurden zu Tage gebracht und können nun von jedermann (-frau) bestaunt werden.
Wir besuchen die Armee, die das Grab des Kaisers Qin bewacht, zusammen mit Irene und Roli, zwei Schweizern, die wir in unserem Hotel kennen gelernt haben. Die Busfahrt zu der Anlage dauert nur anderthalb Stunden. Doch was wir hier antreffen, übertrifft unsere Erwartungen. In einer riesigen Halle stehen tausende Soldaten aus Terrakotta, jede einzelne Figur ist einzigartig und ein Grossteil in einem absolut tadellosen Zustand. Man bedenke, dass diese Krieger über 2'000 Jahre alt sind und bis vor wenigen Jahren noch tief in der Erde verbuddelt waren. Die Stimmung in der Halle ist wirklich einmalig, denn die wandernden Sonnenstrahlen scheinen die Figuren der Reihe nach zum Leben zu erwecken.
Wir bleiben noch eine Zeit lang in Xi'an, buchen aber unser Ticket für die Weiterreise. Unser nächstes Reiseziel befindet sich auf dem Weg zu Chinas Hauptstadt und heisst Pingyao. Die Zugfahrt nimmt eine Nacht in Anspruch und diesmal kommen wir wirklich früh an. Es ist sechs Uhr morgens und bitterkalt. Die Altstadt Pingyaos ist eine autofreie Zone und wir besteigen eine Rickshaw um zu unserem Hostel zu gelangen. Der kalte Wind bläst durch unsere dünnen Fleecejacken und als wir ankommen sind wir wie festgefroren.
Pingyao ist von einer alten Stadtmauer umgeben und die Häuser innerhalb des Walls stammen alle noch aus dem 19. Jahrhundert. Die Dächer sind traditionell chinesisch und die Hauseingänge werden von roten Lampions beleuchtet. Die Gassen sind mit Kopfstein gepflastert und das Autoverbot verleiht dem kleinen Städtchen eine ganz besondere Ruhe, die man fast nirgends in China antrifft. Uns gefällt es hier auf Anhieb, obwohl in unserem Hotel kein Wasser fliesst und der Strom den ganzen Tag über ausfällt.
Wir durchstreifen die Gässchen Pingyaos mit dem Gefühl, durch eine längst vergangene Zeit zu schreiten. ältere Damen haben es sich zu sechst auf einem Zweier-Sofa gemütlich gemacht und tuscheln über die vorbeigehenden Passanten. Ein Fahrrad fahrender Kohleverkäufer singt durch die Strassen, an den Hausecken spielen Männer Karten oder Majiang. An die fremdartigen Gesichter von ausländischen Touristen haben sich die Menschen hier anscheinend noch nicht gewöhnt. Wir fühlen uns ganz besonders... wie so oft in China.
Drei Tage später verlassen wir den aussergewöhnlichen Ort und steigen in den Nachtzug nach Beijing.
Andrea schreibt:
Wie immer kommen wir in den Nachtzügen nicht zu dem erwarteten erholsamen Schlaf und treffen müde am nächsten Morgen in Peking bzw. Beijing ein. Wir verlassen den Bahnhof und versuchen, uns zum Hostel durchzuschlagen. Erst geht's mit de Bus quer durch die Stadt, bis wir irgendwann feststellen müssen, dass wir ohne Taxi wohl nie ans Ziel kommen werden. Doch auch der Taxifahrer bleibt ratlos und findet sich im Pekinger Strassenwirrwarr anscheinend nicht zurecht. Nach einigen strapazierten Nerven und einem weiteren Kilometer Marsch in voller Montur heuern wir noch einen Taxifahrer an, der uns dann zumindest in die Nähe unserer Hostels bringen kann. Endlich finden wir unsere Unterkunft, hier bleiben wir gleich einige Tage.
Beijing, die Hauptstadt der Volksrepublik China blickt auf eine 3'000 jährige, bewegte Geschichte zurück und ist natürlich einer der Höhepunkte unserer Chinareise. Die Stadt selbst beherbergt zahlreiche Sehenswürdigkeiten, und von hier aus, lässt sich ein Abstecher an eines der grossen Wunder der Welt unternehmen – die Grosse Chinesische Mauer.
Die ersten Tage aber, verbringen wir in Beijing und besuchen die Verbotene Stadt, den Sitz der ehemaligen kaiserlichen Familien. Die Verbotene Stadt blieb ursprünglich den Augen des gemeinen Volkes unzugänglich und diente den Kaisern der Ming- und Qing-Dynastien als Residenz. Heute aber schreiten wir durch die Gemächer der ehemaligen Herrscher und fühlen uns um einige Jahrhunderte zurück ins Kaiserreich versetzt.
Vor den Toren der Forbidden City befindet sich das Palastmuseum und der Tian'anmen-Platz, der Platz des Himmlischen Friedens, wo noch heute das riesige Gemälde Mao Zedongs, dem grossen kommunistischen Führer Chinas, hängt. Der Tian'anmen-Platz wurde damals zu Beginn der Machtübernahme der Kommunisten angelegt. Sein Name – Platz des Himmlischen Friedens – trägt allerdings einen ziemlich bitteren Beigeschmack, denn im Jahre 1989 wurden hier tausende friedlich für Demokratie demonstrierende Studenten vom chinesischen Militär brutal niedergemetzelt, eines der vielen dunklen Kapitel des chinesischen Kommunismus.
Die Stadt Peking ist voll von interessanten Geschichten und Bauwerken, und wir haben noch viel vor uns. Einige interessante Tempelanlagen und schöne Parks nehmen wir uns für die nächsten Tage vor. Abends vergnügen wir uns in den Touristen-vierteln, nach so langer Zeit in China, tut das auch einmal wieder gut. Wir haben gehört, unser Hostel organisiere Touren zur Grossen Mauer, da sind wir natürlich sofort dabei und melden uns für den nächsten Tag an.
Abends unter der Dusche passiert dann aber das etwas peinliche Unglück: Ich rutsche auf der Seife aus und breche mir dabei den Finger. Autsch, tut ganz schön weh! Zum Glück sind wir mit unserer Riesenapotheke gut ausgerüstet und basteln eine Schiene für den krummen, bunten Finger. So steht dem Mauerbesuch am nächsten Tag also doch nichts im Wege.
Früh morgens setzten wir uns in den Tourbus und erleben Peking vor Sonnenaufgang in einer seltenen Ruhe. Nach vier Stunden Fahrt durchs Hinterland entdecken wir die ersten Wachtürme und freuen uns, endlich wieder an die frische Luft zu kommen. Es ist bitterkalt, doch die ersten Sonnenstrahlen wärmen unsere Gemüter. Der Aufstieg zur Mauer ist steil und wir kommen sprachlos oben an.
Über eine Länge von 6.000 Kilometer zieht sich die Chinesische Mauer durch China, ein monumentales Bauwerk, dessen Errichtung im 5. Jahrhundert v. Chr. begonnen wurde und bis ins 16. Jahrhundert fortgeführt wurde. Die heute noch bestehenden Teilstücke würden aneinandergesetzt von New York bis nach Los Angeles reichen, und würde man aus ihren Steinen eine einzige Mauer von fünf Metern Höhe und einem Meter Tiefe bauen, ergäbe sich eine Strecke, die länger als der Erdumfang wäre. Die Grosse Mauer wurde vom chinesischen Kaiserreich zum Schutz vor den barbarischen Eindringlingen aus der Mongolei erbaut.
Wir legen 10 Kilometer entlang der Mauer zurück und geniessen unglaubliche Ausblicke. Dieses Bauwerk übertrifft einfach all unsere Erwartungen, und wir sind überglücklich diese Tour gemacht zu haben. Einige Touristen berichteten uns von Teilen der Mauer, die nur noch ein Touriabklatsch sind, und man vor lauter Menschen gar nichts sehen kann. Wir aber sind ganz allein und einfach nur fasziniert.
Nach vier Stunden erreichen wir unser Ziel, wo sich Martin mit zwei anderen aus unserer Reisegruppe an einem Stahlseil 300 Meter in die Tiefe abseilen lässt. Ein gelungener Abschluss eines solchen Tages ;-) Spät abends erreichen wir Beijing und lassen den Abend gemütlich ausklingen.
Am nächsten Tag versuchen wir noch unser Glück und suchen ein Krankenhaus auf, um meinen gebrochen Finger angemessen einzuschienen. Ganz in der Nähe des Hostels entdecken wir ein riesengrosses Spital und versuchen, einen Termin zu bekommen. Gar nicht so einfach, denn hier spricht niemand Englisch und wir versuchen uns mit Pantomimensketchen verständlich zu machen. Nach zwei Stunden Warterei kommen wir endlich an die Reihe und ein etwas rüpelhafter Arzt, der zum Glück Englisch spricht, macht sich am Finger zu schaffen. Nach gehörigem Rumdrücken meint er, die chinesische Medizin könne Knochenbrüche leider nicht behandeln. Er könne mir aber einen beruhigenden Tee anbieten, wenn ich das wünsche... Für Knochenbrüche müsse ich in ein Spezialkrankenhaus, am anderen Ende der Stadt.
Das war ein Reinfall... und die chinesische Medizin bleibt uns ziemlich suspekt. So versuchen wir unsere Pantomimenspiele in der Apotheke um die Ecke und kaufen uns ein paar Verbände, um wieder selbst etwas zu basteln. Nur gut, ist keiner von uns wirklich krank in China, das wäre vielleicht ein Schlammassel.
Am Abend besuchen wir eine Akrobatikshow und bestaunen die Künstler bei ihren spektakulären Verrenkungen. Die Akrobaten treten bereits mit fünf Jahren auf, und wir können uns nur vorstellen, wie hart das tägliche Trainingsprogramm eines solchen Kindes sein muss.
Nach knapp einer Woche in der spannenden Hauptstadt besteigen wir erneut den Nachtzug und rattern nach Shanghai, wo wir uns gleich eine weitere Woche einquartieren. Doch mehr dazu gibt’s im nächsten Reisebericht zu lesen...
Unsere Reise geht weiter zur Sichuanischen Provinzhauptstadt Chengdu. Aber bis dahin fehlen noch 1'500 Kilometer. Doch dazu mehr im nächsten Reisebericht...